PORTRÄT / Sascha Binder, der sozialdemokratische Senkrechtstarter aus Geislingen
Veröffentlicht am 16.06.2007 in Wahlen

Sascha Binder am Geislinger Elefantenbrunnen

"Alles weitere wird sich ergeben"

Partei-Karriere beginnt wie einstmals bei Gerhard Schröder - Liebe zur Fünftälerstadt

In Zeiten, da die Klagelieder über eine unpolitische Jugend immer lauter klingen, verkörpert einer auf bemerkenswerte Weise das Gegenteil: Sascha Binder, der SPD-Senkrechtstarter, der sich bereits mit 24 Jahren zum Kreisvorsitzenden seiner Partei gemausert hat.

PHILIP PALLMANN, Geislinger Zeitung

GEISLINGEN. "Wir müssen zu früherer Stärke zurückfinden", fordert Sascha Binder. Ein Satz voller Beherztheit, Ehrgeiz, ja Kampfeslust. Alles Tugenden, die auch Binders Wesen gut kennzeichnen. Höflich, unkompliziert, aber mit gesundem Selbstbewusstsein, so tritt er auf. Kein Zweifel, ein dickes Fell gehört zur Grundausstattung im politischen Tagesgeschäft. "Wir", damit meint er die SPD, deren Geschicke er seit einigen Wochen als Göppinger Kreisvorsitzender mitlenkt. Gerade 24-jährig, erlangte der Student das kreisweite Spitzenamt Ende April mit einem Husarenstreich.

Ein Draufgänger also? Im Alltag zeigt sich Binder eher strebsam und bescheiden. Studiert in Tübingen Jura im achten Semester, peilt für März 2008 das erste Staatsexamen an, hat sich auf kommunales Verwaltungsrecht spezialisiert, ein Praktikum bei Ulms SPD-Oberbürgermeister Ivo Gönner abgelegt. Doch auch der Anwaltsberuf reizt ihn, die mannigfachen Kontakte zu Menschen. "Ich möchte nicht nur Schreibtischtäter sein", beteuert er. Binder bewohnt eine Zweier-WG in Tübingen, das nötige Kleingeld erarbeitete er sich auf dem Wochenmarkt und als Taxichauffeur. Nach dem Studium zieht es ihn wohl in heimatliche Gefilde zurück: "Ich bin richtig gern in Geislingen." Auf seine Liebe zur Fünftälerstadt lässt der 24-Jährige nichts kommen, auch die gelegentliche Spöttelei der Tübinger Studienkollegen kann seinen Lokalpatriotismus nicht bremsen.

Gern mit einem Lächeln quittiert es Binder, wenn man ihn auf seine biografischen Parallelen zu Gerhard Schröder anspricht. Dabei sind die verblüffend. Wie Schröder schloss sich auch Binder mit knapp 20 Jahren den Sozialdemokraten an und legte fortan eine steile Parteikarriere hin. Wie Schröder ist auch er Student der Rechtswissenschaft und - das Körpermaß betreffend - nicht gerade überragend. Selbst eine Analogie zur Rhetorik des Altkanzlers wird ihm nachgesagt. Und vor allem: Es war Schröders entschiedene Ablehnung eines deutschen Irak-Einsatzes, welche 2002 den Ausschlag für Binders Partei-Eintritt gab. "Das hat mir damals schon imponiert", denkt der 24-Jährige zurück.

In den fünf Jahren seiner SPD-Zugehörigkeit hat sich der Polit-Jungspund aus der Fünftälerstadt zum Kreisvorsitzenden der Volkspartei hochgearbeitet. Ein Raketenstart. Manche Genossen beäugten das rasche Aufstreben mit Unbehagen. Denn als ihm der Stellvertreter-Spatz in die Hand gelegt wurde, ging Binder aufs Ganze und schoss mit klarer Stimmenmehrheit die Taube vom Dach. Von Machthunger will er nichts hören. "Macht? Ein Kreisvorsitzender hat ja keine so große Macht." In jedem Fall aber mehr als sein Vize. "Ich habe Defizite gesehen", erklärt Binder, "und als Stellvertreter kann man die halt nicht ändern."

"Junge Leute werden selten genug gefragt, Verantwortung zu übernehmen", befindet Binder. Anders in seinem Fall, weswegen er die Kandidatur geradezu als Pflicht betrachtete. Wie hat sich sein Leben gewandelt seit jenem Freitagabend im April, als die Kreisdelegierten den 24-jährigen Geislinger zu ihrem Obergenossen erkoren? Verschärfte Zeitknappheit ist eine gar logische Folge der parteilichen Verpflichtung. Als ihm Tübinger Studienfreunde eine Überraschungsparty ausrichteten, um ihre Glückwünsche zum Wahlsieg zu entbieten, erkannte Binder darin den "Wink mit dem Zaunpfahl". Auch Treffen mit den besten Kumpels aus Jugendtagen sind mittlerweile rare Anlässe. "Aber ich hab das Glück, dass sie sich oft nach mir richten." Die Eltern und seine jüngere Schwester sieht er ebenfalls selten. Wenn er in Geislingen weilt, kommt er meist abends spät und geht wieder früh. Die einzige Spur, die von einer nächtlichen Stippvisite zeugen, sei oftmals die Schmutzwäsche, erzählt der junge Mann grinsend.

Ganz neu ist Binders allseitiges Engagement ja nicht. Als Schüler vertrat er das Helfenstein-Gymnasium drei Jahre im Jugendgemeinderat. Mit 16 erlangte er einen Sitz im Turnrat der TG Geislingen, war Pressewart und Jugendleiter des Vereins.

Später führte er die Jungsozialisten im Landkreis, noch heute gehört er dem Juso-Landesausschuss an. Im Vorstand der Kreis-Jusos rückte er kürzlich hinter Tim Zajontz ins zweite Glied. Der Alltag in der Parteijugend sei "lockerer", vergleicht Binder mit der "erwachsenen" Partei, wo auch "Durststrecken" zum Geschäft gehörten. "Bei den Jusos kann man schon mal von jetzt auf nachher eine Aktion starten." Was er im Vorfeld der Bundestagswahl 2005 ausgiebig praktizierte, oft zusammen mit seinem Mentor Walter Riester ("ein sehr sehr guter Berater"). Eben jener Wahlkampf "hat mir gezeigt, dass die SPD im Kreis kampagnenfähiger werden muss", konstatiert Binder.

Politisch betätigte er sich schon früh auch auf einer gänzlich anderen Ebene. Im Teenageralter begann er zur Fasnet bei der TG-Kreissäge über das Lokalgeschehen vom Leder zu ziehen. Gern bekennt er, ein "Faschingsmensch" zu sein und dieser Leidenschaft nach Herzenslust zu frönen.

Und wo findet sich einer, der bereits mit 24 das Spitzenamt im Landkreis innehat, am Ende des Wahljahrs 2009 wieder? Für einen Moment verharrt Binders Blick in Coolness, ehe doch noch ein Schmunzeln hervortritt. Höhere Ambitionen will er derzeitig weder kommentieren noch dementieren, ausschließen prinzipiell gar nichts. Dass beim Kreisvorsitz nicht aller politischen Tage Abend sein soll, ist ein offenes Geheimnis. "2009 sind Kommunalwahlen, Bundestagswahlen, Europawahlen", zählt Binder auf. Alles weitere "wird sich ergeben."

Ganz persönlich

• Meine Hobbys sind mit Freunden weggehen und Tennis spielen.

• Ich schätze Menschen, die ehrlich sind und das sagen, was sie meinen.

• Ich habe Angst vor schwerer Krankheit.

• Mein Lieblingsgericht ist Leber mit Kartoffelbrei.

• Mich ärgern Einsparungen in der Kinder- und Jugendhilfe.

• Als Kind wollte ich die Buchhaltungsfirma von meinem Opa übernehmen.

• Ich bewundere meine Eltern.

• Wenn ich im Lotto gewinne, wäre ich der Erste, der gewinnt, ohne einen
Schein abzugeben.

 

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