Hoffnung im Schurwald

Veröffentlicht am 31.01.2012 in Kreisverband

Neue Württembergische Zeitung

Kreis Göppingen. Das Nachtfahrverbot für Lkw auf der B 297 soll kommen. Die Rathauschefs der Schurwaldgemeinden werten das als eine kleine bis mittlere Verbesserung - mehr nicht. "Der Leidensdruck bleibt hoch", klagen sie.

Neu war es für die Rathauschefs von Rechberghausen bis Wäschenbeuren nicht mehr, was sie gestern bei einer Anhörung für 30 Gemeinden und Landkreise in Stuttgart diskutierten: Die Bundesstraße 297 soll nachts zwischen 22 und 6 Uhr für Lkw ab zwölf Tonnen gesperrt werden - wohlgemerkt nur für den überregionalen Verkehr. Ein Brummi aus der weiteren Umgebung, bis zu 75 Kilometern, darf passieren. Das Verbot kann etwa 80 oder auch 100 Lkw pro Nacht verbannen, schätzen die Rathauschefs - einen Anteil von der Hälfte oder auch zwei Drittel.

Von einem Kompromiss sprechen die Bürgermeister Reiner Ruf (Rechberghausen), Frank Ansorge (Birenbach) und Karl Vesenmaier (Wäschenbeuren). Zur Euphorie gebe es keinen Grund. Denn: "Wir müssen weiterhin mit dem Verkehr leben." Ruf verdeutlicht: "Unsere Situation ist sehr prekär, der Verkehr hat zugenommen und wird weiter zunehmen." Mit großer Sorge blicken die Schurwald-Schultes der Eröffnung des Tunnels in Schwäbisch Gmünd entgegen. Der wird weiter Verkehr über den Schurwald ins Remstal ziehen, fürchten sie.

Was sie dem Regierungspräsidium aber hoch anrechnen: Die Behörde sei um Verständigung bemüht gewesen und habe sich in einem Punkt bewegt, der vorher nicht diskutabel gewesen sei. "Mehr als zehn Jahre haben wir ein Nachtfahrverbot gefordert", sagt Vesenmaier, "aber da hieß es immer: eine Bundesstraße ist für den überörtlichen Verkehr da." Ansorge bekräftigt: "Ich hätte nicht gedacht, dass wir diesen Schritt schaffen."

Die Schurwaldkommunen fühlen sich jetzt "ernst genommen", so Vesenmaier, auch was die weitere Entwicklung betrifft. In einem Jahr soll eine Zwischenbilanz des Nachtfahrverbots gezogen werden. Auch später, wenn der Tunnel in Schwäbisch Gmünd offen ist. "Je nachdem wollen wir im einen oder anderen Punkt noch nachjustieren", erläutert Pressesprecher Dr. Peter Zaar vom Regierungspräsidium. Auch Kontrollen soll es geben. Dafür sei die Polizei vor Ort zuständig, sagt Zaar. "Im Raum Stuttgart funktioniert das gut." Ferner ist das Regierungspräsdium offen für Tempo- 30-Zonen in den Ortsdurchfahrten der B 297. Wäschenbeuren hat schon eine, ein Sonderfall seit zehn Jahren. Für Vesenmaier ist die Ausweitung ein Thema, auch Ruf will im Gemeinderat darüber reden. Ansorge ist skeptisch, ob in Birenbach die Voraussetzungen reichen.

Der Göppinger SPD-Landtagsabgeordnete Peter Hofelich sprach gestern in einer ersten Reaktion von einem "guten Verfahrensvorschlag". Und der Grünen-Abgeordnete Jörg Matthias Fritz glaubt nicht, dass sich der Bund der geplanten Nachtsperrung der B 297 für Lkw über zwölf Tonnen wird verweigern können, "wenn sich das Regierungspräsidium und die Bürgermeister einig sind". Bei zwei Drittel der Lastwagen, die den Schurwald querten, handle es sich um Durchgangsverkehr. Bei Kontrollen lasse sich dies anhand der mitgeführten Frachtpapiere "leicht feststellen", so Fritz.

KOMMENTAR HELGE THIELE
Können die Anwohner im Schurwald aufatmen? Wird der Lkw-Verkehr wirkungsvoll eingedämmt? Zweifel sind angebracht, und auch in den betroffenen Gemeinden hält sich der Jubel nach dem gestrigen Gespräch mit Regierungspräsident Johannes Schmalzl in Grenzen. Denn so viel steht fest: Das Fahrverbot für Brummis über zwölf Tonnen soll und kann nur für den Durchgangsverkehr gelten. Lastwagen, die Betriebe im Landkreis oder in der näheren Umgebung ansteuern, wären von der Sperrung ausgenommen.
Die Hoffnung vieler lärm- und abgasgeplagter Anlieger im Schurwald, vom lästigen Lkw-Verkehr befreit zu werden, ist daher trügerisch. Ganz zu schweigen von der kniffligen Frage, wer das Fahrverbot in der Praxis überhaupt kontrollieren soll. Die Polizei kann allenfalls Stichproben vornehmen. Mehr dürfte mit Blick auf die enge Personalsituation in den Revieren kaum drin sein. Und was die geplante Nachtsperrung der B 297 für Laster angeht, weisen selbst Vertreter der grün-roten Koalition in Stuttgart darauf hin, dass hierüber erst Gespräche mit dem Bund stattfinden müssten, da es sich um eine Bundesstraße handelt.
Dennoch weist das Konzept in die richtige Richtung und ist ein wichtiger Schritt nach vorn, um den Schurwald zu entlasten. Das ist nach Jahren des Ringens um eine Lösung ein Erfolg. Letztlich wird der Alltag zeigen, was das Konzept wert ist. Paradiesische Zustände werden im Schurwald kaum ausbrechen.

 

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